Die Wilde Jagd
In den fast 27 Jahren mit Radio Goethe gingen hier viele Platten über meinen Schreibtisch. Immer wieder wurde und werde ich überrascht, was ich da hören kann. Auch jetzt wieder. Eines der für mich herausragenden Projekte ist “Die Wilde Jagd” des Berliner Produzenten und Musikers Sebastian Lee Philipp. Gerade läuft das jüngste Album “Ophio” in meinem CD-Player. Es ist ein Album mit Tiefe. Was ich damit meine? Es gibt so viel zu entdecken in dieser verzweigten Klangwelt, die so ganz anders daherkommt, als das, was man in diesen Zeiten vorgesetzt bekommt.
Beim Hören musste ich aus Unwissenheit mal nachlesen, was es eigentlich mit dem Namen auf sich hat: Die Wilde Jagd bezeichnet in einer Volkssage eine Gruppe von übernatürlichen Jägern, die über den Himmel jagen und die als Vorbote für Katastrophen wie Kriege, Dürren oder Krankheiten gesehen werden, aber, die auch auf den Tod desjenigen verweisen, der ihr Zeuge wird. Auch sollen die Seelen von Schlafenden mitgezogen werden, um an der Jagd teilzunehmen.
Nicht, dass ich allein vom Zuhören tödlich getroffen werde, doch diese Umschreibung der Wilden Jagd macht deutlich, wie apokalyptisch schön und einzigartig die Musik von Sebastian Lee Philipp ist. Sie erinnert mich auf seltsame Weise auch an Bilder von Hieronymus Bosch, in denen es so viel zu entdecken gibt und bei denen man nie genau weiß, ob es das wirklich ist, was man sieht und immer wieder eröffnen sich neue Bilder. Genauso ist es auch mit Die Wilde Jagd. Diese nicht glattgezogenen und in eine herkömmliche Form gepassten Lieder offenbaren eine fantastische Traumwelt, die man für sich ganz persönlich erkunden, entdecken sollte. All das liegt irgendwo zwischen Elektronik, Neo-Krautrock, zärtlichem Americana Sound und Avant-Pop. "Ophio" ist ein frühes Highlight dieses Plattenjahres. Sehr empfehlenswert!
Die Wilde Jagd, Ophio, Bureau-B Records, 2023